Wie kann man die Eigenanteile begrenzen?


Gute Pflege muss wieder für alle bezahlbar sein. Das wird möglich, indem man das aktuelle Pflegesystem auf den Kopf stellt – mit einem so genannten Sockel-Spitze-Tausch:

Bisher bezahlt die Pflegekasse den festen Sockel und die nach oben offene Spitze zahlen die Kunden als Eigenanteil. Jede Verbesserung treibt also nur die Kosten der Kunden in die Höhe. Mit dem Sockel-Spitze-Tausch drehen wir das um: Die Kunden bezahlen den festen Sockel und alle weiteren Kosten bezahlt die Pflegekasse. 






Gute Pflege braucht eine mutige Reform


Die Begrenzung der Eigenanteile ist ein wichtiger Schritt, der sofort umgesetzt werden muss. Es kann aber nur der Anfang sein, denn gute Pflege braucht mehr. Wir erklären mit sieben Bausteinen die Reform der Pflegeversicherung.


Der erste Reformbaustein sieht deshalb vor, diese Regelung anzugleichen: Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die medizinische Behandlungspflege (Cure) unabhängig davon, wo der Versicherte lebt. Dadurch sinken Pflegesatz und Eigenanteil der Bewohner von Pflegeeinrichtungen um durchschnittlich rund 270 Euro monatlich.

Die Krankenkasse übernimmt die Behandlungspflege und die Pflegekasse ist auf der Grundlage eines ambulanten Sachleistungsprinzips für alle notwendigen Leistungen der Pflege und Betreuung zuständig.

Mit dem Sockel-Spitze-Tausch wird das aktuelle System der Pflegeversicherung auf den Kopf gestellt, denn zukünftig bezahlt der Versicherte für den pflegebedingten Aufwand den festgelegten Sockelbetrag und die Pflegekasse übernimmt alle darüber hinausgehenden notwendigen Kosten für die Pflege. In seinem Gutachten hat Professor Rothgang einen Sockelbetrag von 470 Euro berechnet, mit dem die Eigenanteile für vier Jahre festgelegt und nicht verändert würden. Das Risiko steigender Pflegekosten übernimmt damit solidarisch die Pflegeversicherung. Auf die Pflegebedürftigen entfallen neben dem Sockelbetrag nur noch Miete, Haushaltskosten und weitere private Wunschleistungen.

Zukünftig macht es also keinen Unterschied, ob jemand in einem (jetzt noch) Pflegeheim, in der eigenen Wohnung, in einer Wohngemeinschaft oder im betreuten Wohnen lebt. Dies fördert die Entwicklung innovativer Wohn- und Betreuungsformen, rückt die Bedürfnisse Einzelner in den Vordergrund und unterstützt informelle Helfernetze.

Das Gutachten sieht vor, dies zum Pflegegeld 2.0 für Angehörige sowie zivilgesellschaftliche Akteure weiterzuentwickeln, die dafür ganz oder teilweise konkrete Leistungsmodule verbindlich übernehmen und mit 40 Prozent des Profibetrags direkt bezahlt werden.

Anstelle des Pflegegrades bemisst er ein individuelles, bedarfsgerechtes und ortsunabhängiges Leistungsbudget. Die zweite Instanz bildet ein gut ausgebautes Case-Management auf kommunaler Ebene (z. B. Pflegestützpunkte). Es stellt die individuelle Beratung sicher, mit dem Ziel, den für alle Beteiligten optimalen Einsatz professioneller Dienste und zivilgesellschaftlicher Leistungserbringer zu ermöglichen. Der beauftragte Pflegedienst sichert in der dritten Instanz für seinen Anteil am Leistungsbudget die tägliche Leistungsplanung und -erbringung sowie die Qualitätssicherung für das gesamte Pflegearrangement. Pflegeprofis, aber auch zivilgesellschaftliche Akteure erhalten im neuen System mehr Verantwortung für eine gelingende Pflege und Betreuung im Quartier. Die einzelnen Reformelemente können noch ausgestaltet werden und sind damit für jede politische Perspektive anschlussfähig.

Mit dem Sockel-Spitze-Tausch bleibt der Eigenanteil stabil bei 470 Euro, der Beitragssatz für die Pflegeversicherung steigt bis 2045 auf 5,6 Prozent – und damit nur um 1,1 Prozentpunkte mehr als im Referenzmodell im bestehenden System mit erheblich höherem Eigenanteil. Eine weitere Entlastung um 0,6 Prozentpunkte könnte mit einem Steuerzuschuss von 10 Prozent erzielt werden. Eine Absenkung um weitere 0,6 Prozentpunkte wäre möglich, wenn man die Pflegeversicherung in eine Bürgerversicherung umwandelt und gleichzeitig die Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung anhebt. Mit beiden Reformelementen zusammen könnte also der Beitragssatz für die Pflegeversicherung bis 2045 auf 4,4 Prozent begrenzt und der Eigenanteil für die Versicherten bei 470 Euro gedeckelt werden.